Traugott Wrede, Rektor am Pastoralkolleg in Loccum und derjenige, der Lewitscharoff eingeladen hatte, versprach nicht zu viel: Eine brillante Vorleserin ist die Schriftstellerin. Eine, bei der das Zuhören nicht schwer fällt, sondern die Zuhörer von der ersten bis zur letzten Minute in dem Bann der Geschichte gehalten werden. Das rollende ‚R’, das die schwäbischen Wurzeln Lewitscharoffs ab und an durchblitzen ließ, machte dieses Hörvergnügen noch vollkommener.
Woraus sie las, das ist eines ihrer jüngsten Werke und eine Fortsetzung eines älteren Buches, das eigentlich in sich schon abgeschlossen war. Ihren ‚Pong’, der zum Ende seiner Geschichte aus einem Fenster geradewegs zum Mond springen wollte, ließ sie in ‚Pong Redivivus’ zu Beginn in einer Blutbuche und von da aus direkt mit Beinbruch in einem Krankenhaus landen. Seine Erlebnisse und sein stilles Sinnieren von dieser gefesselten Position aus sind der Inhalt des Buches. Amüsiert nahm das Publikum das Kapitel auf, aus dem Lewitscharoff las: Pongs anfängliches Misstrauen gegenüber dem Mann, der in sein Einzelzimmer geschoben wird, den er zunächst als Störkörper ansieht, nach und nach in Gedanken aber immer mehr zum Freund erklärt und schließlich – als es dem Zimmergenossen schlechter geht – in Gedanken gar den Abschied vom Freund, angefangen bei der von vier Rappen gezogenen Kutsche, die zum Friedhof fährt, bis hin zur Inschrift des Grabsteins, genauestens plant.
Von der Annäherung zwischen Literatur und Theologie sei in diesem Kapitel wenig zu spüren, bekannte die Schriftstellerin, als Fragen nach ihrer Lesung ausblieben. In dem Buch, an dem sie derzeit arbeite – Dante, die Göttliche Komödie und ein neues Pfingstwunder – werde aber genau dieses wesentlich mehr thematisiert. Vorlesen könne sie daraus noch nicht – dazu sei es noch zu schlecht geschrieben. Von der Geschichte mit einem ‚veritablen Großwunder’ erzählte sie dennoch. 36 Dante-Forscher, die nach einem Erweckungserlebnis in den Himmel verschwinden, dürften genügend Stoff für religiöse Betrachtungen lassen. Weshalb die kostenlose Lesung der vielfach preisgekrönten Schriftstellerin nur auf geringes Interesse beim Publikum stieß, ist ein Rätsel, auf dem es an diesem Abend keine Antwort mehr gab. Foto: jan