Suchergebnisse (Soziale Arbeit) | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Martina Harting (v.li.) , Colette Tiemann und die Ehrenamtlichen Ute Schlenkrich und Reneé Bonke fordern ein gesellschaftliches Umdenken, dass Leistung und Erfolg nicht an monetäre Faktoren gekoppelt sein müssen. (Foto: nh)

„Soziale Arbeit erfährt zu wenig Anerkennung“

Nach rund fünf Wochen Wärmestube nutzte auch die Landtagsabgeordnete Colette Tiemann die Gelegenheit, sich vom neuen Angebot des Wohlfahrtverbandes ein Bild zu machen und das Gespräch zu den Besuchern und Ehrenamtlichen zu suchen. Dabei kamen Themen wie Obdach- und Wohnungslosigkeit, Altersarmut, vor allen Dingen bei Frauen, sowie die mangelnde Wertschätzung für soziale Arbeit auf den Tisch. „Wir sollten für Wohnungs- und Obdachlose die Möglichkeit vorhalten, rund um die Uhr einen Ansprechpartner zwecks Organisation einer Unterkunft zur Verfügung zu haben“, regt Tiemann an. „Wir brauchen, gerade nach Corona, Begegnungsräume wie diesen hier“, sagt sie weiter, vor allen Dingen in Krisenzeiten und in Anbetracht steigender Lebenserhaltungskosten und Einsamkeit in der Gesellschaft. „Viele greifen ihre Reserve an, denn das Einkommen reicht nicht mehr aus. Zudem ist dieses Thema für viele mit Scham behaftet sowie mit der Furcht, weniger für die Gesellschaft wert zu sein“. Dabei sieht Martina Harting die Ursachen auch in strukturellen Problemen, etwa zu wenig (finanzielle) Anerkennung für Erziehungs- und Pflegezeiten. „Das sieht niemand, dabei ist einen Haushalt zu führen und Kinder großzuziehen auch ein Erfolg“. „Leistung wird noch immer monetär gewertet“, fasst Tiemann das Problem zusammen, dabei sei diese Annahme schon lange überholt. Bestes Beispiel seien Menschen in der Pflege, die sehr viel Verantwortung tragen, jedoch mit einer geringen monetären Ausstattung. „Jahrelang habe ich im Akkord gearbeitet und dennoch wenig verdient, unter anderem weil ich eine Frau bin“, stellt Ehrenamtlerin Ute Schlenkrich fest. „Es ist traurig, dass Frauen noch immer so wenig verdienen – was dann als Rente herauskommt, ist lachhaft“. Der Wunsch der Anwesenden: Leistung müsse von finanziellen Faktoren abgekoppelt werden, dafür muss aber die Politik was ändern. Zudem fehle es in der Gesellschaft an sozialen Denken, soziale Arbeit und Berufe sollten besser gefördert werden. „Die Politik muss am Ball bleiben und das Gespräch zum Bürger suchen“, fordert Harting. „Viele von denen sehen gar nicht, dass es andere Lebensrealitäten gibt“, wie etwa die der pflegenden Angehörigen. „Der Dienst an der Gesellschaft hat Anspruch auf Wertschätzung“, sind sich alle Anwesenden einig. „Es kann nicht sein, dass Wohlfahrtsverbände die staatlichen Lücken schließen müssen“, ärgert sich Tiemann, die versprach, sich für weitere Fördermittel einzusetzen.
„Danke, dass Sie hier so viel Herzblut investiert haben“, so Verwaltungschef Axel Wohlgemuth zum Abschied. (Foto: nh)

In kritischen Zeiten den Menschen Auftrieb gegeben

Im Beisein von Familie und Freunden nutzen zahlreiche Wegbegleiter die Gelegenheit, einige Worte des Abschieds an Heike Sareyka zu richten: „Mit Heike verlieren wir eine geschätzte Kollegin und die Seele dieses Hauses“, leitet Claudia Walderbach, Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle des Paritätischen, den Festakt ein. „Wir freuen uns, dass du uns mit deinem Wesen beglückt und so tolle Arbeit hier geleistet hast“. Stets habe sich Sareyka mit Energie, Facettenreichtum und positiver Ausstrahlung um die Menschen gekümmert und auch in kritischen Lebenssituationen ihnen Auftrieb gegeben. „Du hast die Menschen bereichert und dies hier zu einem Ort gemacht, in dem sich jeder wohlfühlt“, so Walderbach. Die Arbeit mit Menschen erfordere viel Einfühlungsvermögen: „Ich danke dir für den Respekt, den du den Menschen entgegenbringst. Wir sind traurig, dass du gehst, aber jetzt kommt die Zeit, sich den Träumen und Wünschen zu widmen“. Auch Sareyka nutze die Gelegenheit, gemeinsam mit den Gästen zurückzublicken. Als sie 1991 mit der Begegnungsstätte startete, „war nichts hier“, wie sie sich erinnert. Das bedeutete nicht nur keine Möbel, sondern auch keinerlei Angebote. Vom Büro des damaligen Bürgermeister Preuls aus organisierte sie die ersten Schritte und füllte das Haus mit Leben. Heute könne sie auf viele schöne Erlebnisse zurückblicken und dankte dafür auch ihren Wegbegleitern aus den sozialen Verbänden, den Mitarbeitern der Stätte, der Verwaltung und natürlich den Besuchern. Doch ohne den Rückhalt aus der Familie sei diese Aufgabe niemals zu leisten gewesen, so Sareyka, und dankte ihren Mann als „guten Coach und Zuhörer“. Mit einem Zitat von Hermann Hesse verabschiedete sich Sareyka offiziell: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – mit diesem Motto werde ich in die Zukunft gehen“. Bürgermeister Axel Wohlgemuth dankte ihr für die jahrzehntelange gute Arbeit: „Was aus diesem Ort geworden ist, ist ihr Verdienst. Dabei sehe ich Sie immer mit weit ausgebreiteten Armen die Menschen hier empfangen. Menschen hinterlassen Spuren, und auch Sie haben hier ihre hinterlassen, deswegen fällt vielen der Abschied sehr schwer. Danke, dass Sie hier so viel Herzblut investiert haben“, so der Verwaltungschef, der neben Blumen auch einen Reisetrolley für Sareyka im Gepäck hatte. Dass diese nämlich die neugewonnene Zeit neben der Familie auch für das Reisen und die Musik nutzen möchte, hatte sich unter der Feiergesellschaft bereits herumgesprochen, Albert Brüggemann dankte im Namen der Besucher: „Du hast das Haus mit Seele gefüllt und hieraus eine Stätte gemacht, in der man sich wohlfühlen kann“. Abschließend hatten noch Mike Behrend und Stefan Vollmann von Schaumburger Bündnis gegen Depressionen etwas für die Neu-Ruheständlerin vorbereitet: „Ich habe dich stets als Frau mit klarer Haltung erlebt. Du hörst zu und bietest Lösungen an und musstest dich auch selbst Lebensherausforderungen stellen. Du triffst stets den richtigen Ton und die Menschen sind deswegen gern in deiner Nähe“, so Behrend. „Wir sind sehr dankbar für deine Arbeit und beeindruckt von deinem Engagement“, fügt Vollmann hinzu. Auch weiterhin werde Sareyka der richtige Rhythmus gewünscht sowie eine Zeit voller Freude und schöner Momente. Mit dem gemeinsam angestimmten Lied „I did it my way“ wurde zum geselligen Teil des Nachmittags übergegangen. Foto:nh
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