Eigentlich sollte dies eine dieser Geschichten werden, bei denen es einem warm ums Herz wird – doch dann kam alles anders. Ich erzähle sie nun trotzdem. Der ursprüngliche Titel war „Ente gut, alles gut - Später Besuch mit Flauschfaktor”, doch das „alles gut” müssen wir nun streichen.
Als das kleine Entenküken an jenem Maiabend zwischen Staudenbeet und Gartenmöbeln auftauchte, war sofort klar: Hier braucht jemand Hilfe. Und tatsächlich schien sich alles zum Guten zu wenden. Das Küken bekam einen Namen, fand ein sicheres Zuhause und wirkte schnell munter und angekommen. Doch nun gut zwei Wochen später kam die traurige Nachricht: Tang-cu ist gestorben. Unerwartet, obwohl es dem kleinen Tier zuletzt gut zu gehen schien.
Warum genau es so kam, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Begegnung mit einem Happy End endet.
Und dennoch: Die Geschichte soll erzählt werden: Von einer spontanen Rettung und von viel Engagement von Seiten des Tierschutzes.
Anfang Mai entdeckte ich ein kleines, unkoordiniert hüpfendes Etwas, das alles anders als zielstrebig durch den Garten tappste. Erst dachte ich an einen besonders aufgeweckten Spatz. Doch ein genauerer Blick ließ keinen Zweifel zu: Es war ein Entenküken. Ganz allein. Kein Gewatschel in der Nähe, kein Schnattern, keine Mutter in Sicht. Es war noch ganz jung, hatte noch nicht die „richtigen” Federn.
Es huschte von einem Blumentopf zur nächsten Rasenkante, suchte Schutz und wirkte zugleich neugierig – aber auch hilflos und überfordert. Sofort war mir klar: Hier muss etwas geschehen. In unmittelbarer Nähe verläuft eine viel befahrene Straße, und für ein Küken dieser Größe hätte ein Ausflug dorthin nicht Gutes bedeutet.
Also machte ich mich bereit, das kleine Tier einzufangen – was sich jedoch als erstaunlich einfach herausstellte. Denn kaum öffnete ich die Haustür, als wolle sie die Einladung annehmen, huschte das Entlein auch schon über die Schwelle, watschelte in den Flur und setzte sich in eine Ecke, aus der es sich selbst nicht mehr befreien konnte. Ein Fluchtversuch sah anders aus.
Zunächst wurde überprüft: Wirkt es verletzt? Ist es geschwächt? Aber das Küken machte einen kräftigen, wachen Eindruck – kein erkennbarer Schaden, keine Verletzungen. Also bekam es erstmal ein ruhiges Plätzchen in einem Karton. Dann begann die Suche nach seiner Familie.
Keine Verwandtschaft in der Nähe
Ich lief durch die Nachbarschaft, fragte bei den benachbarten Grundstücken mit Teich, ob jemand ungewöhnlichen Besuch bekommen habe – Fehlanzeige. Auch in einem größeren Umkreis fanden sich keine weiteren Enten, weder lebendig noch tot. Kein Zeichen von Muttertier oder Geschwisterküken. Ein Einzelkind – mutmaßlich auf sich allein gestellt.
Kaum geschlüpft, sind Entenküken übrigens erstaunlich selbstständig: Sie verlassen noch am selben Tag das Nest, tapsen auf eigenen Beinchen los und beginnen, eigenständig nach Nahrung zu suchen. Dennoch bleiben sie in dieser frühen Phase eng bei ihrer Mutter, die sie führt, wärmt und beschützt. Bis sie selbst fliegen können, vergehen allerdings noch gut sieben bis acht Wochen – eine lange Zeit, in der Schutz und Nähe überlebenswichtig sind.
Nach Rücksprache mit dem Tierschutzverein Rodenberg/Bad Nenndorf wurde klar: Allein hätte das Küken draußen kaum eine Überlebenschance. Mir wurde Almut Melcher empfohlen – eine erfahrene Wildtierretterin, die sich ehrenamtlich um hilfsbedürftige Tiere kümmert und im Tierheim in Wunstorf arbeitet. Sie war an diesem Abend ohnehin auf einer kleinen Tour unterwegs, um eine verletzte Echse und eine Fledermaus aufzunehmen. So wurde meine Ente kurzerhand ihr dritter Einsatz an diesem Tag.
Bevor ich mich auf den Weg zu ihr machte, bekam das Entenküken noch einen Namen: Tang-cu. Warum gerade dieser? Vielleicht, weil er nach etwas Besonderem klingt – so wie dieses Erlebnis eben auch war.
Im Gespräch mit Almut Melcher erfuhr ich, wie schwierig es derzeit ist, Fundtiere wie mein kleines Entchen unterzubringen. Nicht nur wegen begrenzter Kapazitäten in Pflegestellen, sondern auch wegen seuchenrechtlicher Auflagen. Aufgrund der Vogelgrippe dürfen viele Einrichtungen – etwa die Wildtier- und Artenschutzstation in Sachsenhagen – zurzeit keine Wasservögel aufnehmen. Ebenso ist die Aufnahme von Stadt-, Zier- und Brieftauben wegen anderer Virusrisiken eingeschränkt. Umso mehr freute ich mich, dass mein kleiner Fund an diesem Abend noch ein sicheres Nest fand.
Tang-cu kam auf einem Bauernhof mit Artgenossen unter. Und für mich bleibt diese unerwartete Begegnung eine Erinnerung daran, wie schnell sich Alltag und Tierschutz überschneiden können. Manchmal reicht ein offenes Auge – und eine offene Tür. Nicht jede Rettungsgeschichte endet mit einem glücklichen Ausgang, aber für mich mit dem guten Gefühl, dass es viele Menschen gibt, die sich ehrenamtlich engagieren und dabei nicht auf Überstunden schauen.
Wichtig ist, dass man bei Wildtieren nur in echten Notsituationen eingreift. Hilfe gibt es bei den regionalen Tierschutzvereinen, oder auch bei den örtlichen Polizei-Dienststellen.