Frust wendet sich gegen Politiker: Ein Problem, aber noch nicht in Schaumburg | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Frust wendet sich gegen Politiker: Ein Problem, aber noch nicht in Schaumburg

Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. (Foto: Arne Oltrogge)
Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. (Foto: Arne Oltrogge)
Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. (Foto: Arne Oltrogge)
Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. (Foto: Arne Oltrogge)
Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. (Foto: Arne Oltrogge)

In den letzten Jahren hat sich ein besorgniserregender Trend abgezeichnet: Lokalpolitiker sind zunehmend verbalen und körperlichen Angriffen ausgesetzt. Diese Entwicklungen sind nicht nur in den Medien präsent, sondern auch in den Alltag vieler Politiker eingedrungen, die auf kommunaler Ebene tätig sind. Während demokratische Prozesse und der offene Austausch von Meinungen essenziell für eine funktionierende Gesellschaft sind, erleben immer mehr Lokalpolitiker, dass ihre Arbeit und ihr Engagement für das Gemeinwesen durch Gewalt und Drohungen untergraben werden. Dies wirft die Frage auf, wie sicher die Rahmenbedingungen für politisches Engagement in der heutigen Zeit noch sind und welches Bild dies auf das Demokratieverständnis unserer Gesellschaft wirft. Ursachen für diese Eskalation sind vielfältig: sie reichen von sozialer Ungleichheit und politischer Polarisierung bis hin zu einer zunehmenden Radikalisierung u.a. in sozialen Medien. Diese Dynamik hat dazu geführt, dass das politische Klima rauer geworden ist, was die Bereitschaft vieler Menschen, sich politisch zu engagieren, erheblich beeinträchtigt. Die Gefahr ist, dass dadurch eine wichtige Säule der Demokratie – die Bürgerbeteiligung und das Engagement auf lokaler Ebene – nachhaltig geschwächt wird.

Das Schaumburger Wochenblatt hat sich bei Bürgermeistern im Landkreis umgehorcht, welche Erfahrungen sie diesbezüglich schon machen mussten.

„Ich selbst habe körperliche Gewalt noch nie erlebt, startet Obernkirchens Bürgermeisterin Dörte Worm-Kressin. „Verbale Gewalt findet sich allerdings seit langem in den sozialen Medien. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Viele Menschen haben derzeit viele Probleme. Sich für das Gemeinwohl zu engagieren, schaffen nur wenige. Der verbale Rundumschlag gegen alles und jede(n) fällt natürlich viel leichter. Und sich mehr oder weniger anonym im Internet zu äußern, der Trend scheint zu steigen.

Worm-Kressin hält das für ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Die Ich-Bezogenheit regiert. Einige Menschen haben darüber hinaus kein festes Werte-System mehr. Das zeigt sich unter anderem an mangelndem Respekt gegenüber Mitmenschen und auch Sachen à s. Vandalismusschäden etc.”. Diese Gemengelage mache es einigen politischen Strömungen leicht, Menschen an den Rand der Gesellschaft zu ziehen. „Wenn sich mehr Menschen für dass Gemeinwohl einsetzen, jeder und jede nach eigenen Möglichkeiten, verbessert sich bestimmt auch die politischer Kultur. In Bückeburg gab es einmal das Projekt 'Schule als Staat': Schülerinnen und Schüler konnten einen Staat konstruieren und mit Leben erfüllen. Gute Idee, finde ich!”, so Worm-Kressin.

Weiter ging das Gespräch beim Bürgermeister in Bückeburg.”Herr Wohlgemuth, in welchen Situationen erlebten Sie bereits verbale oder körperliche Angriffe und wie gehen Sie damit um?” „Bisher bin ich noch körperlich angegriffen worden. Manchmal erreichen mich anonyme Briefe, Mails und Posts aus den sozialen Medien, deren Inhalte beleidigend sind.”

„Glauben Sie, dass die zunehmende Aggressivität gegenüber (Lokal-) Politikern ein Zeichen eines tiefergehenden Problems im Demokratieverständnis unserer Gesellschaft ist?” „Nein, aber ich bin der festen Ansicht, dass derzeit viele Menschen das Gefühl haben, dass sie abgehängt werden und wir ihre Probleme nicht erst nehmen. Die Menschen vertrauen aber auf einen handlungsfähigen Staat, gerade in einer Demokratie wie der unsrigen.”

„Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden, um Lokalpolitiker besser vor Angriffen zu schützen und die politische Kultur zu verbessern?” „Wir hören überwiegend nur die negativen Stimmen. Die Menschen und die Medien sollten auch mal den Blick auf das Lenken, was gut läuft und dies dann auch kundtun. Ich bin mir sicher, dass dann auch der Respekt vor Amtsträgern wieder zunimmt.”

Glücklicherweise, so Theiß, hat er in seiner Amtszeit als Bürgermeister der Kreisstadt noch keine Gewalttaten gegen seine Person erlebt. Natürlich gäbe es hin und wieder einmal Entgleisungen in einzelnen Formulierungen. Diese fänden jedoch, wenn überhaupt, innerhalb der Politik statt. Diese lägen immer weit unterhalb der Schwelle zur Beleidigung, stellte er ausdrücklich fest.

Öffentlich, auch in den Sozialen Medien, sei er ebenfalls nicht über die Schwelle der Strafbarkeit hinaus, angegriffen worden. Da erscheinen manchmal kritische Anmerkungen, das sei aber völlig in Ordnung. Grundsätzlich sieht das Stadthäger Stadtoberhaupt die Rolle des Bürgermeisters nicht in erster Linie gefährdet. Da würden möglicherweise die Mitarbeiter in einzelnen Ressorts der Verwaltung eher gefährdet. Am Bespiel von ablehnenden Bescheiden im Rahmen der Bauordnung oder beim Leerausgehen bei der Vergabe von Kita-Plätzen könnten die Emotionen schon einmal hochkochen. Für solche Fälle ist seit geraumer Zeit ein internes Alarmierungssystem innerhalb der Stadtverwaltung eingerichtet, mit dem umgehend Unterstützung angefordert werden könne. Klar sei seiner Ansicht nach aber auch, dass man gegen einen überzeugten Täter nichts machen könne. Das Beispiel des in seinem Büro erschossenen ehemaligen Hamelner Bürgermeisters Rüdiger Butte zeige dieses eindrucksvoll. (Anm. d. Red.: Am 26. April 2013 wurde Butte von einem 74-jährigen Täter erschossen. Es ging um einen Zaunbau).

Als Repräsentant einer örtlichen Kommune hat ein Bürgermeister ständig Kontakt zur Öffentlichkeit und dabei ständig von Security begleitet zu werden, das ginge überhaupt nicht, machte Theiß seinen Standpunkt klar. Neben den bekanntgewordenen Angriffen auf Lokalpolitiker, stehen seiner Ansicht nach, eine Reihe anderer Berufsgruppen im Fokus. Polizeibeamte, Rettungskräfte, aber auch Familienrichter werden angegriffen. Die Ursache sieht Theiß möglicherweise in einer wachsenden Unzufriedenheit im Land. Arbeitsplatzverlust, Wohnungsnot bis hin zur Existenzbedrohung könnten Auslöser für die wachsende Gewalt sein. Die emotionale Betroffenheit würde sich dann an einem „Sündenbock“ entladen. Ein verurteilter Straftäter rechnet mit einem Urteil, die Entscheidung eines Familienrichters hingegen werde möglicherweise als ungerecht beurteilt, macht er an einem Beispiel deutlich. Sorge oder Angst habe er in unserem Landkreis nicht, in Ballungszentren oder in schwierigen Wohnlagen in Deutschland sähe die Situation vielleicht etwas anders aus, lautet sein Fazit.


Nadine Dressler
Nadine Dressler

Redakteurin Schaumburger Wochenblatt

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