Eine deutliche Zunahme von Anfeindungen gegenüber Menschen muslimischen Glaubens sei in seinem näheren Umfeld im Alltag nicht feststellbar, wie der Stadthäger Mehmet Yabas festhält. Allerdings würden sich besonders manche ältere Gemeindemitglieder Sorgen machen, angesichts von öffentlichen Diskussionsbeiträgen, die Muslime oder Menschen mit Migrationshintergrund als Problem einordnen, so der langjährige Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde Stadthagen.
Er sei froh, dass die Gemeinde, deren religiöser Mittelpunkt die Aksa-Moschee in der Enzer Straße ist, sehr angenehme Beziehungen zu den Nachbarn pflege und sich in Stadthagen grundsätzlich gut aufgehoben und sehr wohl fühle, erklärte Mehmet Yabas. Das Schaumburger Wochenblatt hatte den nach langen Jahren kürzlich ausgeschiedenen Vorsitzenden der Gemeinde um ein Gespräch gebeten mit der Frage, ob es in letzter Zeit zunehmend zu Anfeindungen gegenüber Menschen muslimischen Glaubens oder Menschen mit Migrationshintergrund komme. In sozialen Medien werden nach Anschlägen oftmals Stimmen laut, die Schuldzuweisungen gegenüber allen Muslimen äußern bis hin zu Forderungen nach Ausweisungen. Wie wirken sich solche Diskussionen auf das Klima in der Gemeinde aus?
Tatsächlich liege ein schwerwiegender Vorfall in Bezug auf die Gemeinde lange zurück, wie Yabas ausführte. 2014 war eine Schaufensterpuppen-Kopf mit den Islam verunglimpfender Symbolik vor der Moschee abgelegt worden. Die Gemeinde verständigte die Polizei, der Staatsschutz ermittelte. Die Tat fügte sich damals in eine Kette ähnlicher Verunglimpfungen im Raum Niedersachsen.
Yabas zeigt sich gelassen in der heutigen Situation, im Alltag in Stadthagen sei eine Verschärfung des gesellschaftlichen Klimas kaum feststellbar. Der Großteil der Mitglieder der Gemeinde ist türkischstämmig. Viele leben seit 60 Jahren im Landkreis, die Jüngeren sind hier geboren, nicht wenige deutsche Staatsbürger. Natürlich sei Deutschland und der Landkreis längst „erste oder zweite Heimat” für die Allermeisten. Andere Gemeindemitglieder sind später zugewandert, etwa aus dem arabischen Raum und besuchen die Gottesdienste in Stadthagen.
Vor allem bei älteren Mitgliedern sei jedoch festzustellen, dass sie die Situation beschäftige. Dies werde weniger durch Alltagserfahrungen ausgelöst. Eher spiegele sich hier die Verschärfung der öffentlichen Diskussion wider und wohl auch die Wahlerfolge der AfD, die manches Mitglied sorge. So frage sich dann mancher: „Sind wir hier noch im richtigen Land?“
Hier gelte es dann, die Besorgten zu beruhigen. Aufzuzeigen, dass man von der Mehrheit der Gesellschaft als in Deutschland verwurzelt akzeptiert werde. Und dass dies in der ganz überwiegenden Mehrheit der politischen Vertreter auch so vertreten werde. Gut tue es den Menschen, wenn die wirtschaftliche Aufbauleistung, zu der sie in den vergangenen Jahrzehnten in der Bundesrepublik beigetragen haben, auch anerkannt und dies öffentlich ausgesprochen werde.
Mehmet Yabas erklärte, dass die Gemeinde für das friedliche Zusammenleben aller Menschen in Stadthagen und im Landkreis stehe. Das gelte auch für das Miteinander der verschiedenen Religionen. Dies schreibe der Islam den Gläubigen vor. Gern beteilige man sich deshalb auch an der Netzwerkarbeit etwa mit den christlichen Gemeinden sowie weiteren Gruppen in Stadthagen und Umgebung. Bewusst bringe man sich in die Gesellschaft ein, übernehme Verantwortung für deren aktive Gestaltung. Spürbar sei, dass der Austausch Früchte trage und hier ein Vertrauensverhältnis erarbeitet wurde. Dies gelte nicht nur auf Ebene der Führungsgremien. Mit Aktionen wie dem Tag der offenen Moschee setze sich die Gemeinde zudem dafür ein, Vorurteile abzubauen.
Yabas bringt selbst das Gespräch auf den Messerangriff in Mannheim, in dessen Folge 2024 ein Polizist starb. „Dass ein Muslim einen jungen Polizisten tötet, das hat mich sehr getroffen.“ Es wird spürbar, wie sehr der sonst stets sachlich und ruhig argumentierende Yabas von dem Verbrechen bis heute aufgewühlt ist. „Das ist mir zwei Tage nicht aus dem Kopf gegangen“, erklärte er. „Der Islam ist eine Religion des Friedens. So etwas hat mit dem Islam nichts zu tun“, stellte er klar.
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