Kaum mehr als eine Woche ist vergangen, seit der kleine Jack Russell, der auf den Namen „Killer” hört, im Garten das junge Eichhörnchen gefunden und danach gemeinsam mit „Frauchen” Kristin Kuhlmann und „Herrchen” Markus Heyer quasi adoptiert hat. Rührend nahm sich der Jagdhund des winzigen Tieres an und päppelte es gemeinsam mit Kuhlmann und Heyer auf. Dass diese Freundschaft allerdings nicht von Dauer sein konnte, war dem Paar recht schnell klar. Seine natürliche Angst vor Hunden sollte das Eichhörnchen nicht verlieren und außerdem die Chance bekommen, frei zu leben. So trennten sich alle drei schweren Herzens von Pepe und brachten ihn zur Wildtierschutzstation im benachbarten Sachsenhagen. Dort ist der kleine Pepe der wohl derzeit berühmteste Gast: die Bilder, die ihn schmusend mit dem Jack Russell zeigen, haben so manchen Leser genauer hinschauen lassen. Einen kleinen Vorteil zieht das Junge aus dieser Berühmtheit: ist er doch der einzige, der in der Station mit einem Namen geführt wird. „Die Tiere, die bei uns abgegeben werden, bekommen Nummern”, sagt Stationsleiter Florian Brandes nahezu entschuldigend. Bei rund 2.000 Wildtieren jährlich, mit denen Menschen vor der Tür stünden, könne nicht jedes mit einem Namen versorgt werden. Pepe jedoch redet auch er so an, als er zu der kleinen Box auf der Intensivstation geht. 50 mal 50 Zentimeter groß ist die Tür, die er öffnet, dahinter verbirgt sich ein weiches Nest, in dem drei Eichhörnchen sich aneinander kuscheln und friedlich schlummern. „Der Kleine entwickelt sich prächtig”, sagt Brandes mit Blick auf den Aufnahmebogen. 92 Gramm hat er gewogen, als er fünf Tage zuvor angekommen ist. Nun hat er schon ein stolzes Gewicht von 113 Gramm. Brandes korrigiert sich aber schnell: nicht „der Kleine”, sondern „die Kleine” müsse es heißen. Pepe ist nämlich ein Mädchen. Deshalb hat sie auch einen kleinen Markierungsfleck auf der Stirn – um sie von dem anderen Eichhörnchen-Mädchen in der Box unterscheiden zu können. Auf dem Bogen für Pepe ist auch dokumentiert, wann sie jeweils gefüttert wurde und wie viel sie zu sich genommen hat. „Alles bestens”, meint Brandes, die Kleine werde es schaffen und könne ausgewildert werden. „Sie war doch schon in einem guten Zustand, als sie hier bei uns ankam.” Das ist sicherlich der fürsorglichen Pflege durch Kuhlmann, Heyer und nicht zuletzt durch Jack Russell Killer zu verdanken. Fünfmal am Tag werden die drei Eichhörnchen mit einer Art Brei ernährt. Für den einzigen Jungen in der Box ist es eben wieder an der Zeit. Eine Freiwilligendienstleisterin nimmt den Kleinen heraus. Im Nachbarraum setzt sie ihn auf den Tisch, den Brei gibt es über einen winzigen Nuckel. Als er nicht mehr mag, bekommt er eine vorsichtige Bauch-Massage verabreicht. „Das machen die Mütter mit ihren Jungen ebenso”, sagt Brandes. Die Massage rege das Verdauungssystem an, erst dann würden die Jungen sich erleichtern. Die Mutter könne die Exkremente gleich aus dem Kobel mitnehmen und so das Heim sauber halten. Wie beschrieben, passiert es auch: das Eichhörnchen macht seine „Geschäfte”, wird abgeputzt und kommt wieder zu seinen Gefährten in der Box. Gar zu gerne würden Kristin Kuhlmann und Markus Heyer die kleine Pepe in dieser Box sehen. Das geht aber leider nicht. „Nur für Mitarbeiter” steht an der Tür – und das ist eine Regel, die eingehalten wird. „Die Tiere hier werden sehr gestört, wenn immer wieder Menschen hineinkommen”, sagt Brandes – nicht nur die Eichhörnchen, sondern beispielsweise auch die verletzte Schleiereule, die in einer anderen Box sitzt, dürften keinem Stress ausgesetzt werden. Die Box wird unterdessen gar nicht so lange das Heim von Pepe sein. Rund 14 Tage, schätzt Brandes, muss sie dort noch bleiben. Dann geht es stufenweise in die Freiheit. Die erste Station auf diesem Weg liegt nur wenige Schritte von der Schutzstation entfernt und wenige Meter in den Wald hinein. Dort steht eine große, zweigeteilte Voliere. Auf einer Seite tummeln sich drei weitere Eichhörnchen, flitzen über die Baumstämme, klettern am Drahtzaun entlang und trauen sich auch schon erste kurze Sprünge zu machen. „Solch einen buschigen Schwanz wird Pepe in zwei Wochen auch haben”, sagt der Stationsleiter. Und dann komme sie in dieses Gehege. Zunächst nur tagsüber und zwar so lange, bis klar ist, dass sie sich das ausgelegte Futter selbständig nimmt und sich zur Nacht in einen der hohlen Baumstümpfe, die als Unterschlüpfe aufgebaut sind, zurückzieht. Ist es erst einmal soweit, dann wird auch die Scheu vor den Menschen wieder größer. Eines der Tiere in der Voliere hat von dieser Zurückhaltung allerdings noch nicht allzu viel mitbekommen. Als Brandes seine Hand zum Drahtzaun ausstreckt, kommt es angehuscht und schnuppert. Trotzdem fehle bei ihm nicht mehr viel, um mit der eigentlichen Auswilderung zu beginnen, erklärt Brandes. Große Sprünge von Ast zu Ast muss es sich noch trauen. Dann aber wird der Käfig geöffnet und den Tieren frei gestellt, sich drinnen oder draußen aufzuhalten. Sobald sie ihre Umgebung erobert haben, sich zutrauen, ihr Futter selbständig zu finden, werden sie in der Schutzstation nicht mehr gesehen – und dann ist die Auswilderung erfolgreich gewesen. Das also erwartet das Eichhörnchen-Mädchen Pepe. Für Kristin Kuhlmann und Markus Heyer aber auch Jack Russell „Killer” sind das wunderbare Nachrichten. Und sobald Pepe in der Voliere heimisch geworden ist, dürfen sie ihn auch wieder besuchen. Foto: jan