Heiligabend in St. Nikolai Rinteln. Der Pastor hatte drei Geschenke dabei: ein großes, goldglänzendes Paket, ein mittelgroßes, hübsch geschmücktes, und ein kleines, unscheinbares, in schlichtes Zeitungspapier gewickelt.
Gottesdienstbesucher durften sich eines aussuchen – und natürlich ging der erste Griff zum größten, glänzenden Geschenk. Wer würde nicht das Goldene wählen?

Doch die Überraschung folgte beim Auspacken: Im kleinen, unscheinbaren Paket steckte ein Kinogutschein – und zwar nicht irgendeiner, sondern ein Gutschein für einen Kinobesuch mit dem Pastor (Selbstverständlich durften die Eltern dabei sein – das gehört ja zum echten Kinoerlebnis dazu 😉).

So wurde aus dem unscheinbaren Geschenk etwas sehr Lebendiges: Zeit miteinander, gemeinsames Lachen, Staunen, Reden – echtes Leben eben.

Weihnachten ist genau so ein Geschenk: unspektakulär verpackt, leise, fast zu übersehen – und doch steckt darin das größte „Kino“ überhaupt: Gott selbst betritt die Bühne der Welt – nicht als Held im Rampenlicht, sondern als Kind in einer Futterkrippe.
Er spielt keine Rolle, er lebt sie – mitten unter uns. Das Licht der Welt kommt nicht mit Scheinwerfern, sondern mit einem Schimmer, der Herzen erreicht.

Vielleicht liegt gerade darin das schönste Geschenk: wenn Gott sich zeigt, wo wir ihn am wenigsten erwarten – in einem Lächeln, in einem Wort, in einem einfachen Moment,
der plötzlich größer ist, als wir dachten. Schlichtheit und Einfalt liegen sprachlich dicht beieinander. So auch in einem Gedicht von Rainer Maria Rilke:

Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?
Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,
macht sich mild und kommt in dir zur Welt.
Hast du dir ihn größer vorgestellt?

Und dabei denke ich wieder an die Kinder, Was kann es Schöneres geben als die Geburt eines Kindes? Was kann es Schlimmeres geben als das Leben eines Kindes zu zerstören, seine kleine Seele zu zerbrechen? Was eine Gesellschaft wirklich wert ist, das zeigt sich an ihrem Umgang mit den kleinsten und schwächsten. Wie gehen wir heute mit unseren Kindern um? Wie begegnen wir ihnen? Wenn eine Mutter, ein Vater mit ihrem Kind spielen, dann bleiben sie nicht stehen und schauen von oben herab zu. Sie gehen in die Knie, in Augenhöhe mit dem Kind. Und wenn das Kind glücklich spielt oder im Unglück weint, dann gehen wir auch in die Knie. Wir lassen uns auf seine Situation ein. Wir möchten ihm unmittelbar in die Augen schauen, ihm ganz nahe sein. Wir werden klein, damit das Kind groß wird. Und so macht Gott das mit uns. Allmacht und göttliche Größe sind für ihn nicht alles. Er ist so frei und geht in die Knie, dorthin, wo wir sind. Er erlebt das Leben aus unserer Perspektive. Gott war uns nie näher!
Christenmenschen glauben an den Kniefall Gottes. Darum feiern wir Weihnachten.

Und die Sache mit den Kinogutscheinen geht übrigens weiter – sie wurden bis heute nicht eingelöst. Der Pastor wartet noch – mit Popcorn und offenen Karten.
Gesegnete Weihnachten – und vielleicht ja bis bald im Kino. Dr. Jörg Mosig.