Den traditionellen Kulturtag beging die Jüdische Gemeinde Schaumburg wiederum in Bad Nenndorf. Es war der 23. Kulturtag, zu dem sich mit gut 60 Personen in der Wandelhalle versammelten. Es waren allerdings weniger jüdische Gemeindemitglieder versammelten, als in den zurückliegenden Jahren. Der Kulturtag war offenbar atmosphärisch und emotional geprägt, von den Ereignissen um den Terrorakt und Krieg am und im Gaza-Streifen, sowie von der jüngsten Freilassung der von der Hamas entführten jüdischen Geiseln vom 7. Oktober 2023. Zu den Höhepunkten des Kulturfestes gehörte der musikalische Part der Gruppe „The Klezmer Tunes“ aus Köln sowie die Möglichkeit für die Gäste, ihre Fragen an den Rabbiner Jona Simon aus Oldenburg zu richten, von dem durchaus Gebrauch gemacht wurde.
„Seit 2002 begehen wir dieses Fest, um Menschen jüdischen und nicht jüdischen Glaubens zusammenzubringen, um den Austausch und gegenseitige Toleranz zu pflegen“, sagte Marina Jalowaja als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Schaumburg. „Wir sind stolz über die Befreiung der Geiseln. In der Zeit der Dunkelheit gibt es Hoffnung.“ Samtgemeindedirektor Mike Schmidt betonte in seinem Grußwort die Freude über das Fest: „Vielfalt ist unsere Stärke. Toleranz ist gelebte Realität. Sie baut Brücken.“ Er dankte der Jüdischen Gemeinde für ihr Engagement und den Mut, ihren gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Als stellvertretender Landrat bedankte sich Jan-Philipp Beck, für die Möglichkeit, mit diesem Fest immer wieder und mehr die jüdische Kultur kennenzulernen, „um der Unwissenheit darüber aktiv entgegentreten zu können“. Angst herrsche noch in vielen Teilen der Welt. Frieden zu haben sei nicht so selbstverständlich, wie wir meinten. Neben den Konflikten und Kriegen in der Ukraine und im Gaza gibt es noch viele weitere in der Welt. „Wir dulden keine Form von Antisemitismus. Wir stehen für Respekt und Toleranz untereinander ein.“
Mit einer besonders bemerkenswerten Ansprache, wandte sich Dietmar Buchholz als stellvertretender Bürgermeister von Bad Nenndorf an die Gäste. Ihm war es ein Anliegen, besonders auf die Ereignisse im Nahen Osten einzugehen und betonte, dass die Freilassung der überlebenden Geiseln aus den Händen der Terrororganisation Hamas und die Fortschritte hin zu einer Einstellung der Kampfhandlungen für alle Beteiligten ein wichtiges Zeichen der Hoffnung sei. „Wir alle sind heute bei den Opfern und Angehörigen in Israel und im Gazastreifen“, betonte Buchholz emotional ergriffen. Nahezu mahnend unterstrich er, dass es einen dauerhaften Frieden „nur unter gleichwertiger Berücksichtigung der israelischen und palästinensischen Gesellschaft geben könne“. Mit Verständnis für pro-palästinensische Kundgebungen dürfe jedoch niemals die Erinnerung an die Gräueltaten des Terroranschlags am 7. Oktober 2023 durch die Hamas in den Hintergrund geraten. „Denn dies ist der stelle größte Massenmord an Jüdinnen und Juden seit dem Zweiten Weltkrieg.“
Zur Jüdischen Gemeinde Schaumburg gehören 124 Mitglieder, „Tendenz eher fallend, weil die Gemeinde Demografie mit überwiegend Älteren aufweist. Junge Gemeindemitglieder verlassen die Stadt, um zum Beispiel ein Studium aufzunehmen“, erläutert Marina Jalowaja in einem Gespräch mit dieser Zeitung, am Rande des Kulturfestes. Gründe für eine geringere Teilnehmerzahl konnte sie nicht nennen. „Das müsste man vielleicht genauer evaluieren.“ Seit dem Terroranschlag am 7. Oktober 2023 habe sich nicht nur in Schaumburg einiges verändert, betont sie. “Sondern in ganz Deutschland. Und ich würde sogar in ganz Europa sagen. Der Antisemitismus ist angestiegen.“ Schaumburg komme hierbei relativ gut weg, „weil wir in unserer Gemeinde wenig Kinder haben“. Aber in Hannover, Hildesheim, und darüber hinaus, „da ist der Antisemitismus extrem schlimm geworden. Der Begriff Jude ist zu einem Schimpfwort geworden, selbst gegenüber denen, die gar keine Juden sind. Das ist für mich ein Zeichen, dass Schulen sehr stark betroffen sind. Wir stehen ständig unter Polizeischutz. Auch hier, bei diesem Fest. Keine Veranstaltung geht ohne. Auch wenn dies nicht spürbar ist, ist die Polizei präsent. Damit fühlen wir uns ein bisschen beschützt.“ Vor einigen Tagen wurde das Gemeindehaus in Bad Nenndorf mit rohen Eiern beworfen. „Gott sei Dank wurde persönlich niemand aus der Jüdischen Gemeinde angegriffen.“ Da sie Vizepräsidentin vom Jüdischen Verband in Niedersachsen sei, erfahre sie von vielen Fällen, verteilt über ganz Niedersachsen.