Nach kurzer Einweisung | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Nach kurzer Einweisung

Bei der Ausgabe im Tafelhaus: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Lechner. (Foto: privat)
Bei der Ausgabe im Tafelhaus: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Lechner. (Foto: privat)
Bei der Ausgabe im Tafelhaus: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Lechner. (Foto: privat)
Bei der Ausgabe im Tafelhaus: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Lechner. (Foto: privat)
Bei der Ausgabe im Tafelhaus: Der Landtagsabgeordnete Sebastian Lechner. (Foto: privat)

Sebastian Lechner packt mit an, als bei der Tafel Wunstorf Lebensmittel ausgegeben werden. Der CDU-Landtagsabgeordnete will sich ein Bild von der Arbeit vor Ort machen und erlebt eine Organisation, die mit großem Engagement und viel Struktur dafür sorgt, dass jede Woche rund 700 Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden. Über 50 Ehrenamtliche sind im Einsatz, um Lebensmittel zu retten und Bedürftige zu unterstützen. Doch so reibungslos der Ablauf auch ist: Der Besuch wirft Fragen auf, die über das Tagesgeschäft hinausgehen.

Die Tafel Wunstorf gehört zu den kleineren Einrichtungen in Niedersachsen, gilt aber als besonders gut organisiert. Kundinnen und Kunden kommen einmal pro Woche, um Obst, Gemüse, Brot, Tiefkühlware und haltbare Lebensmittel zu erhalten. Im Eingangsbereich wird gewartet, geredet, manchmal auch einfach nur durchgeatmet. Die Atmosphäre ist freundlich, das Team um Vorsitzenden Frank Löffler und seine Stellvertreterin Ursula Jungbluth, die sich seit fast 20 Jahren engagiert, arbeitet mit beeindruckender Routine. Lechner zeigt sich dankbar für diesen Einsatz und betont, wie wichtig das Ehrenamt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei.

Kein Ersatz für soziale Sicherheit

Doch bei aller Anerkennung für die Helferinnen und Helfer bleibt ein grundlegendes Problem bestehen: Tafeln sind keine Lösung, sondern ein Symptom. Dass in einem reichen Land wie Deutschland Menschen auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, ist Ausdruck sozialer Schieflagen. Lechner erkennt das durchaus an. Er fordert, die gesetzlichen Hürden für Lebensmittelspenden zu senken und die Logistik der Tafeln besser zu unterstützen. Die bestehende Gesetzeslage schütze eher die Entsorgung genießbarer Lebensmittel, statt ihr entgegenzuwirken, so Lechner. Haftungsrechtliche Hürden für die Weitergabe von Lebensmitteln müssten daher abgebaut und die Spender von Bürokratie hinsichtlich Hygienepflichten, Dokumentation und Transportvorschriften entlastet werden.

Allerdings ist es auch Aufgabe der Politik, die Ursachen von Armut zu bekämpfen, nicht nur deren Folgen zu verwalten. Die Gefahr besteht, dass das System der Tafeln zur Normalität wird und damit politische Verantwortung aus dem Blick gerät. Wer sich auf die Existenz von Tafeln verlässt, läuft Gefahr, strukturelle Probleme zu übersehen: niedrige Löhne, unzureichende Sozialleistungen, steigende Lebenshaltungskosten. Der Besuch bei der Tafel Wunstorf zeigt, wie viel Engagement in der Zivilgesellschaft steckt. Er zeigt aber auch, wie dringend politische Lösungen gebraucht werden, die Armut wirksam bekämpfen. Tafeln können überbrücken, aber sie dürfen nicht zur Dauerlösung werden.

Leserbrief

Was für eine wunderbare Überschrift!

Vielleicht wäre für Herrn Lechner eine etwas ausführlichere Einweisung in die Lebenssituation von Menschen, die in Armut und an der Armutsgrenze leben, sinnvoller gewesen. Er vertritt nämlich an führender Position eine Partei, die genau diesen Menschen Kürzungen zumuten will und wird und sie in der Öffentlichkeit gerne als „faul“ und „arbeitsunwillig“ darstellt. War den Kund*innen der Tafel klar, wer sie da bedient und welche Haltung er ihnen gegenüber vertritt?

Seine Verbesserungsvorschläge beziehen sich von daher auf nebensächliche Regulative und nicht auf das zugrunde liegende Problem: nämlich die immer weiter wachsende Armut und Armutsgefährdung und die immer weiter fortschreitende Umverteilung von Vermögen und Geldern von unten nach oben. Statt über gerechte Löhne und gerechte Besteuerung von Vermögen zu sprechen, fabuliert er über haftungsrechtliche Hürden.

Ich habe großen Respekt für die Mitarbeitenden der Tafel, die diese – leider – notwendige Arbeit leisten und finde es gleichzeitig ausgesprochen bedauerlich, dass der Vorstand der Tafel sich für so ein durchschaubares Vorwahlkampfmanöver benutzen lässt und diesen Mann nicht politisch zur Rede stellt. Das wäre m.E. auch eine sinnvolle Aufgabe des Redakteurs gewesen, der diesen Besuch dokumentiert hat. Herr Lechner steht für eine Partei, die zwar das C in ihrem Namen hat, jedoch weit davon entfernt ist, soziale Gerechtigkeit zu schaffen.

Elke Pietzsch, Mesmerode


    André Tautenhahn (tau)
    André Tautenhahn (tau)

    Freiberuflicher Journalist

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