Ende August stand sie im Supermarkt: Eine Palette mit Spekulatius, Dominosteinen, Marzipankartoffeln und Christstollen. Der Advent war angekommen – schlappe vier Monate vor Weihnachten.
Ich bin alt genug, um zu wissen, dass die Festzeit jedes Jahr ein wenig früher anbricht. Aber daran gewöhnen möchte ich mich nicht. Weil ich nämlich auch alt genug bin, um die Rhythmen des Jahres zu schätzen.
Ich weiß, dass für den Einzelhandel gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Und wenn keiner Sommerspekulatius kaufen würde, verschwänden sie schnell wieder.
Als traditionsbewusster Mensch und Christ könnte ich beklagen, dass vor lauter Konsum und Genuss das Wunder der heiligen Nacht nicht mehr zu erkennen sei.
Aber auch die Traditionen rund um's Fest sind menschengemacht. Was haben zum Beispiel Tannenbäume und Schnee mit Bethlehem zu tun? Wir wissen doch nicht mal, an welchem Tag Jesus geboren wurde. Vielleicht Ende August?
Mir ist klargeworden, dass die christliche Festkultur nicht mehr, aber auch nicht weniger sein soll als eine Hilfe, sich auf etwas einzustellen, was wir nicht begreifen und beherrschen können. Das Kind in der Krippe ist mehr als das, was wir daraus machen. Heißt umgekehrt auch: Wenn mir Weihnachten wichtig ist, habe ich es selbst in der Hand. Da lass ich mir vom keinem was vorschreiben.
Übrigens: Wenn die Spekulatius jedes Jahr etwas früher im Laden sind, brauche ich nur abzuwarten, und es gibt sie wieder Anfang Dezember. In der Zwischenzeit freue ich mich einfach auf Weihnachten.