Jonas Hauschildt ist seit Oktober Vikar in der Corvinus-Gemeinde und will Pastor werden. Im Interview mit dem Stadtanzeiger spricht der 29-Jährige über seine Motivation, die Herausforderungen sinkender Mitgliederzahlen und warum Kirche für ihn ein Ort der Offenheit und Begegnung ist – auch mal bei Bier und Tee.
Was hat Sie dazu bewogen, Vikar zu werden? Gab es einen Schlüsselmoment?
Jonas Hauschildt: Die familiäre Prägung spielt eine große Rolle – mein Vater ist Theologe. Für mich war der Beruf des Pastors deshalb schon früh etwas Normales. Ich weiß aber, dass andere ihn als etwas Besonderes wahrnehmen. Außerdem habe ich bereits als Jugendlicher im Konfirmandenunterricht als Teamer mitgewirkt. Damals ist die Entscheidung gereift, selbst Theologe werden zu wollen. Der Umgang mit Menschen und die Möglichkeit, bei ihnen Interesse zu wecken, bereitet mir große Freude. Darüber hinaus singe ich gern in Chören, beschäftige mich mit historischen Fragen und arbeite gern an Texten.
Das klingt fast nach einem Lehrerberuf?
Hauschildt (lacht): Der stand tatsächlich auch zur Wahl.
Wie gehen Sie damit um, dass die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt?
Hauschildt: Für den Nachwuchs ist es sogar noch schwieriger – es gibt immer weniger Menschen, die Pastor oder Pastorin werden wollen. Das bedeutet aber auch: Die Berufsaussichten sind hervorragend. Gleichzeitig müssen wir uns der Realität stellen, dass die Mitgliederzahlen zurückgehen. Unsere Aufgabe ist es, den Glauben und die Kirche vor Ort so zu gestalten, dass sie als etwas erlebt wird, das im Leben trägt. Das ist eine große Herausforderung, denn die Kirche hat sich lange eine gewisse Bequemlichkeit bewahrt. Jetzt ist Veränderung nötig. Für mich heißt das: Welche Formen und welche Sprache eignen sich, um Menschen neu anzusprechen?
Das klingt nach Experimenten. Da sind Sie in der Corvinus-Gemeinde ja genau richtig?
Hauschildt: Absolut. Die Idee, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, ist großartig – gerade in der Oststadt, wo es nicht viele Begegnungsorte gibt. Die Kirche bietet mit ihrer Architektur einen besonderen Raum, in dem Menschen zusammenkommen können. Hier lässt sich erfahren, dass Kirche anders sein kann, als man denkt. Viele haben noch Bilder von starren Regeln und mangelnder Flexibilität im Kopf. Die Corvinus-Gemeinde zeigt das Gegenteil: Offenheit, Raum für Leben. In der Kneipenkirche kann man auch mal ein Bier oder einen Tee trinken und ins Gespräch kommen.
Was genau machen Sie in Ihrer zweijährigen praktischen Ausbildung?
Hauschildt: Die Ausbildung besteht aus wechselnden Phasen: Seminare in Loccum und Zeit in der Gemeinde. Im Januar bin ich drei Wochen in Loccum, um das Thema Predigt zu vertiefen. Bis dahin gibt es Hausaufgaben. Zweimal darf ich in der Gemeinde predigen. Die erste Predigt halte ich am Sonntag, 7. Dezember, in der Reihe „Sprichwörtlich Advent“ zum Sprichwort „Mir geht ein Licht auf“. Beginn ist um 10 Uhr. Und bei „Musik und Segen“ am 1. Weihnachtstag mache ich die geistlichen Worte zwischen den Musikstücken – eine klassische Predigt gibt es in diesem Format ja nicht. Zwischen März und Juni bin ich an der Oststadtschule – zunächst zum Hospitieren, später werde ich dann auch selbst Religionsunterricht geben.
Worauf freuen Sie sich besonders in Ihrer Zeit bei Corvinus?
Hauschildt: Auf die Begegnungen mit vielen Menschen. Ich finde es großartig, wie offen sie sind und Einblicke in ihre Gedanken geben. Außerdem freue ich mich darauf, die verschiedenen Formate und Veranstaltungen kennenzulernen und herauszufinden, was ihr Erfolgsgeheimnis ist.
Was bedeutet Ihnen der Glaube persönlich?
Hauschildt: Glaube ist ein Prozess. Es geht nicht nur um Inhalte, sondern vor allem um Erleben, Erfahren und Fühlen – und das ist geprägt von Vertrauen. Daraus schöpfe ich Kraft.
Haben Sie eine Lieblingsstelle in der Bibel?
Hauschildt: Ja: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“ Diese Mischung bringt es für mich auf den Punkt. Sie macht aktiv und ermutigt, ins Handeln zu kommen – und gleichzeitig geerdet und pragmatisch zu bleiben.
Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft als Pastor vor?
Hauschildt: Das klassische Bild vom Pastor in einer einzelnen Gemeinde wird seltener. Die Herausforderung wird sein, in größeren Räumen zu wirken. Menschen sind heute mobiler und nutzen gezielt Angebote, die Kirche macht. Die muss wiederum herausfinden, was funktioniert. Die Zeit, in der es ein Angebot für alle gab, ist vorbei. Die Bedürfnisse sind zu unterschiedlich. Deshalb braucht es Mut und weniger Angst – auch wenn mal etwas nicht klappt. Daraus kann man lernen.
Jonas Hauschildt hat Theologie in Göttingen und Heidelberg studiert und das erste Theologische Examen abgelegt. Nun folgt das zweijährige Vikariat in der Corvinus-Gemeinde, das mit dem zweiten Theologischen Examen endet.