Der Politologe und Direktor der Evangelischen Akademie Loccum im Ruhestand, Dr. Fritz Erich Anhelm, engagiert sich in dem Projekt – unter anderem mit einem Beitrag, in dem er nach Spuren jüdischer Geschichte in Loccum sucht - einsehbar auf der Website www.stolpersteine-rehburg-loccum.de. Weshalb er lokale Erinnerungsarbeit für wichtig hält und welche Rolle Loccum, das Kloster, der Stiftsbezirk und die Landeskirche darin spielen, haben wir wissen wollen.
Loccum, das Kloster und der Stiftsbezirk kamen in dem Projekt nicht vor - obwohl das einen großen Teil Rehburg-Loccums ausmacht.
Dazu gab es die Auskunft, dass dort eben nie Juden gewohnt hätten. Meine Überlegung war, dass Loccum nicht als weißer Fleck stehen bleiben müsse.
Ja, die gab es. Da ist zum einen die Frage, wie das sozialdemokratische Dorf Loccum sich bis 1933 so entwickelte, dass diese Tradition im Sog des Nationalsozialismus fast ganz verloren ging. Zum anderen ist die aktive Rolle von Vikaren aus dem Predigerseminar in der SA-Ortsgruppe eine bleibende Mahnung, Das begann schon 1930 mit der Forderung, die Beziehung zu einem jüdischen Schlachter in Rehburg zu beenden.
Und dann geht es in dem Projekt eben nicht um eine doch mehr abstrakte Auseinandersetzung auf der Ebene der Politikwissenschaft. Hier kommen die Menschen ins Spiel.
Die Opfer. Die Opfer, die Nachbarn waren. Deshalb sehe ich diese Stolperstein-Verlegung auch als Projekt zur Sensibilisierung.
Irgendwo zwischen Akzeptanz und Ablehnung. Abt Molan engagierte sich in einem „Christlich-Jüdischen Dialog”.
Abt Ebell wurde Taufpate eines jüdischen Mitbürgers aus Rehburg. Und zugleich gab es die Grundhaltung, die da hieß: In diesem Stiftsbezirk wird nicht zugelassen, dass sich jüdische Familien niederlassen.
Die den Nationalsozialismus stützende Haltung von Landesbischof Marahrens ist auch im Kloster zu spüren gewesen.
Zugleich wehrte man sich gegen die „völkische” Ideologie und die Versuche der Gleichschaltung der Kirche durch die „Deutschen Christen”. Später, ab 1936, nahm der Druck auf das Kloster zu. Da ging es dann um die Verteidigung der eigenen Existenz.
Was die Schuldfrage angeht, hat die Landeskirche Hannovers 75 Jahre nach der Pogromnacht 2013 mit einer Verfassungsergänzung eine späte, aber eindeutige Konsequenz gezogen:
„Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.”
Landesbischof Meister erklärte, das sei ein klarer Auftrag, gegen jede Form von Antisemitismus und Antijudaismus aufzustehen und konkret zu handeln.
Ja. Ich denke, solche Initiativen wie das Stolperstein-Projekt können helfen, dass diese Versöhnungsarbeit geschieht.
Foto: jan