Provisorischer Ganztag | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Provisorischer Ganztag

Oststadtschule Wunstorf. (Foto: tau)
Oststadtschule Wunstorf. (Foto: tau)
Oststadtschule Wunstorf. (Foto: tau)
Oststadtschule Wunstorf. (Foto: tau)
Oststadtschule Wunstorf. (Foto: tau)

Die Stadt will ab dem Schuljahr 2026/27 an den Grundschulen in Bokeloh, Kolenfeld und der Oststadtschule offene Ganztagsschulzüge einführen (wir berichteten). Der Schulausschuss hat die entsprechende Vorlage der Verwaltung gemeinsam mit den Ortsräten am Dienstag (4. November) beraten. Damit reagiert die Stadt auf den gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung und den Mangel an Hortplätzen. Die Umsetzung erfolgt ohne abgeschlossene Baumaßnahmen. Das widerspricht dem Grundsatzbeschluss von 2016, der eine Umwandlung erst nach baulicher Fertigstellung vorsah. Die Verwaltung plant nun, beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Anträge für die Einrichtung offener Ganztagsschulzüge zu stellen. Die baulichen Maßnahmen sollen parallel oder nachgelagert erfolgen.

Abwägungsfragen

Das warf Fragen auf. In der Sitzung meldeten sich Einwohnerinnen zu Wort. Sie wollten unter anderem wissen, wie die Umwandlung von Grundschulen in anderen Ortsteilen weitergehe und wie der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung dort ab dem nächsten Jahr sichergestellt werde. Das hatte auch der Stadtanzeiger bei der Verwaltung angefragt. Bei der Auswahl der drei Grundschulen habe man sich an Trends orientiert, die sich aus Elternabfragen ergeben, so Erste Stadträtin Wiebke Nickel. Außerdem habe die Verteilung über das Stadtgebiet eine Rolle gespielt. Eine Abwägung gab es aber zwischen Bokeloh und Luthe. In Bokeloh seien die Voraussetzungen für eine Interimslösung insgesamt besser. ”Darüber hinaus wird durch die Einrichtung einer Ganztagsschule im Butteramt das Stadtgebiet von Wunstorf räumlich deutlich besser versorgt, insbesondere unter Berücksichtigung der dort nur beschränkt zur Verfügung stehenden Hortplätze.”

In Luthe führe der bereits beschlossene Umbau zu beengten Verhältnissen. ”Gegen die Umwandlung während der Bauphase spricht das knappe Raumangebot und eine fehlende Pausenhalle, die als Behelfsmensa genutzt werden könnte”, so die Stadt. Der zusätzliche Bedarf an Ganztagsbetreuung könne allerdings durch Hortplätze im Bezirk der Oststadtschule gedeckt werden. Die Stadt rechnet in der Oststadt mit frei werdenden Hortkapazitäten, da die Oststadtschule mit dem vorliegenden Beschluss zum Schuljahr 2026/2027 zur Ganztagsgrundschule wird. Im Bezirk der Albert-Schweitzer-Schule soll der Bedarf vorerst durch eine zusätzliche Hortgruppe an der Kita Eleonore-von-Unger gedeckt werden. Die Stadt beklagt, dass immer noch Erlasse des Landes zur konkreten Ausgestaltung des Ganztages fehlen, was die Planung insgesamt erschwere.

Generell gelte aber, dass die bestehenden Hortangebote und Randstunden, etwa in Großenheidorn und Steinhude zunächst aufrechterhalten werden. Diese Angebote gelten aber nicht als Rechtsanspruch erfüllend. Darauf wies Manfred Wenzel (CDU) im Schulausschuss hin. Zur Erklärung: Der Rechtsanspruch gilt nur bei einer ganztägigen Betreuung als erfüllt, also einer Zeit bis 15.30 Uhr. Die Randstundenbetreuung laufe aber nur bis 15 Uhr. Eine längere Betriebserlaubnis sei demnach nicht möglich, so die Erste Stadträtin. Das wirft die Frage auf, was dann mit Kindern in den Ortsteilen geschehe, die ihren Rechtsanspruch erfüllt sehen möchten. Da käme es auf den Einzelfall an, so Nickel. Möglich sei ein Ausweichen an Schulen mit vorhandener Ganztagsbetreuung, sofern Plätze dort zur Verfügung stehen. Jede Grundschule im Stadtgebiet sei dann grundsätzlich zumutbar.

Grüne üben scharfe Kritik

Mit dieser Antwort geben sich wiederum die Grünen nicht zufrieden. ”Zur Not müsse das Kind halt in eine andere Schule gehen. In der Folge eine Schule außerhalb des eigenen Ortes und der eigenen Freunde, weil der Ganztag nicht pünktlich eingerichtet wurde. Oder die Eltern müssten für Tagesmütter aufkommen”, heißt es im Nachgang. Die Fraktion kritisiert in einer Stellungnahme das Handeln der Verwaltung insgesamt scharf. Fraktionsvorsitzender Marvin Nowak, zugleich Vorsitzender des Schulausschusses, bezeichnet die Darstellung der Stadt als „Schönfärberei“. Die Verwaltung habe es über Jahre hinweg versäumt, die nötigen baulichen Voraussetzungen zu schaffen. Interimslösungen seien möglich gewesen, doch es fehle an vorausschauender Planung. Besonders kritisiert wird Bürgermeister Carsten Piellusch, der bereits als Erster Stadtrat für Schulen zuständig war. „Hätte die Stadt frühzeitig gehandelt, wären die baulichen Voraussetzungen zur Not auch im Interim geschaffen und der Ganztag gesichert”, so Nowak.

Neben der räumlichen Ausstattung bleiben Fragen zur Mittagsverpflegung und zu pädagogischen Konzepten offen. Andere Mitglieder des Ausschusses sowie der Ortsräte betonten, dass der provisorische Ganztag nicht auf eine Verwahranstalt hinauslaufen dürfe. Die Stadt rechnet mit Kosten von rund 201.600 Euro für das erste Jahr, weitere Ausgaben sind noch nicht beziffert. Kooperationen mit externen Trägern sind geplant, doch nicht alle Einrichtungen zeigen Interesse. Die Grünen warnen: Ohne rechtzeitige Lösungen drohen Doppelstrukturen mit Horten, Belastungen für Familien und Einschränkungen bei der Berufstätigkeit – insbesondere für Mütter. Der Ganztagsbetrieb sei unter Zeitdruck und auf wackeligen Füßen. Im Ergebnis bleibe aus Sicht der Grünen die Ganztagsbetreuung an den Grundschulen auch 2026 nicht gesichert.

Vorlage beschlossen

Beschlossen wurde die Verwaltungsvorlage aber einstimmig von allen drei Ortsräten sowie vom Schulausschuss. Hier gab es lediglich zwei Enthaltungen. Lob für das Vorgehen der Verwaltung gab es unter anderem von der SPD. Sprecher Robert Conrad hob hervor, dass es der Verwaltung gelungen sei, ins Dickicht vorzudringen, Partner zu suchen, Räumlichkeiten zu finden und noch einen Schritt mehr hin zu Flexibilität zu gehen. ”Das finden wir sehr überzeugend.” Vertretern der CDU war vor allem wichtig zu betonten, dass alle weiteren Schritte eng mit den Schulleitungen abgestimmt werden sollten.


André Tautenhahn (tau)
André Tautenhahn (tau)
Freiberuflicher Journalist
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