Aktuell hat der Verein zum Erhalt des Steinhuder Meeres (VESM) Versuchsbecken mit abgetrocknetem Schlamm aus dem Steinhuder Meer plus Torf beziehungsweise Rindenmulch befüllt und mit Moorpflanzen bepflanzt. Ziel ist es, nachzuweisen, dass der Schlamm zur Wiederherstellung abgetorfter Moorflächen im Gebiet Mardorf/Schneeren/Neustadt genutzt werden kann. Gelingt dieses Experiment, könnte in Zukunft eine deutlich größere Menge Schlamm aus dem Steinhuder Meer entnommen werden als zur Zeit. Hat der Verein Erfolg, könnte in dem Experiment eventuell die Lösung zur Entschlammung des Steinhuder Meeres liegen.
Aufgrund der oft noch mächtigen Resttorfkörper auf Torfabbauflächen sind die Flächen gemäß der rechtlichen und fachlichen Vorgaben als Hochmoor zu regenerieren. Von Natur aus sind Hochmoore nährstoffarm und haben einen sehr geringen pH-Wert. Nur unter diesen Bedingungen können sich hochmoortypische Pflanzen wie zum Beispiel Torfmoose, Sonnentau, Wollgras und Hochmoorlibellenarten entwickeln und langfristig etablieren, so Pressesprecher Fabian Buß vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz (NLWKN) auf Nachfrage dieser Zeitung. Schlamm ist dagegen nährstoffreich, was die Entwicklung und Etablierung der genannten Arten verhindern würde. Aus diesem Grunde hat der Verein vorab den pH-Wert des Schlamms reduziert.
Trotzdem sieht das NLWKN darin keine mögliche Lösung des Problems, denn: „Eine vorherige Anpassung des pH-Wertes des Seeschlamms wird insbesondere in größeren Dimensionen für nicht umsetzbar erachtet.“ Außerdem ist der Schlamm im Steinhuder Meer mit Schwermetallen belastet. Somit wird das Material als nicht geeignet für eine Hochmoorrenaturierung angesehen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass das angedachte Vorgehen mit naturschutzfachlichen Vorgaben des Naturschutzgebietes Totes Moor vereinbar ist. Zusätzlich verweist man darauf, dass die Auswirkungen eines solchen Vorhabens in diesem sensiblen Bereich vollkommen unbekannt sind. Außerdem muss jede Schlammablagerung genehmigt werden. „Eine Genehmigung auf ehemaligen Torfabbauflächen ist nicht realistisch“, so das NLWKN. Die angrenzenden Moore sind in Teilen Natura-2000-Gebiete, Naturschutzgebiete und Teil des Niedersächsischen Moorschutzprogramms.
In die gleiche Kerbe schlägt Thomas Brandt, wissenschaftlicher Leiter der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM). „Auch solche Schnapsideen, wie den Schlamm aus dem Steinhuder Meer ins Naturschutzgebiet Totes Moor kippen, wäre ein Riesenproblem für den Artenschutz“, so Brandt. Auf solchen Flächen würden seiner Meinung nach, ans Hochmoor gebundene Tierarten und Pflanzenarten vollständig vernichtet werden. Im Versuch des Vereins wird allerdings auch mit einer möglichen Bepflanzung experimentiert.
Interessiert habe ich den Artikel zur möglichen Verwendung des Schlamms aus dem Steinhuder Meer zur Renaturierung von Moorflächen gelesen. Was mich allerdings irritiert und ärgert, ist der Ton, mit dem engagierte Initiativen wie der Verein zum Erhalt des Steinhuder Meeres (VESM) von Funktionsträgern und vermeintlichen Fachleuten abgekanzelt werden.
Statt die Idee offen zu prüfen oder gar mit dem Verein in einen ergebnisoffenen Dialog zu treten, scheint man sich reflexartig auf Ablehnung zu verlegen. Die pauschale Abwertung als „nicht geeignet“ oder gar die implizite Herabwürdigung der Bemühungen als „Schnapsidee“ lassen weniger den fachlichen Diskurs erkennen als vielmehr eine Haltung, die an Besserwisserei grenzt und kaum Raum für neue Denkansätze lässt.
Es ist doch bezeichnend, dass ein ehrenamtlicher Verein nicht nur mit Mut, sondern auch mit konkreten Experimenten vorangeht, während öffentliche Stellen vor allem Bedenken äußern. Man kann nur hoffen, dass es sich hierbei nicht – wie so oft – um eine bewusste Taktik handelt, eine engagierte Bürgerinitiative zu delegitimieren, anstatt sie ernst zu nehmen und mit ihr gemeinsam an Lösungen zu arbeiten.
Es geht hier nicht nur um Schlamm oder pH-Werte – es geht um Dialogbereitschaft, gegenseitigen Respekt und letztlich um unsere Verantwortung für die Natur vor unserer Haustür.
Holger Maaß, Steinhude
Nein, es ist keine Schnapsidee, sondern das Ergebnis jahrelanger Überlegungen, Ermittlungen und Abwägungen aller Alternativen. Seit einigen Jahrzehnten verlandet das Meer im Zentralbereich dramatisch schnell, während es 10.000 Jahre lang dieses nur im Westen hinter dem Wilhelmstein tat . Schlamm gibt es heute unter anderem an der alten Moorhütte, rund um den Wilhelmstein, sogar im Ostenmeer, wo es bis vor kurzem noch nur reinen Sand gab. Wieso? Es wird doch etwas getan? Ja, in vergleichbar homöopathischen Dosen wird der Schlamm an Stegen und Stränden beseitigt.
Wir sagen: Zwecklos! Nur eine große Entschlammung könnte das Meer retten und die Verhältnisse vor 1990 wieder herstellen. Aber wohin mit dem Schlamm? Ins Moor? Nein, in die abgetorfte Moorbrache, die nach der Schlammeinbringung renaturiert werden könnte. 70 Hektar würden reichen, um das Meer für Generationen zu erhalten. Zum Vergleich: das gesamte Tote Moor wie auch das Steinhuder Meer haben je eine Fläche von 3000 Hektar. Aber der Schlamm ist doch belastet? - Gering!
Und warum stört sich heute niemand an der „Belastung” des selben Schlammes im Meer? Und Artenschutz, der angeblich durch die Maßnahme behindert würde? In der Moorbrache gibt es nach unserer Beobachtung kaum, wenn überhaupt, Leben. Mein Appell: Lasst uns endlich das Problem lösen, statt eventuelle Lösungen unbedacht kaputt zu reden. Seit Jahren beschäftigt sich unser Verein mit über 100 engagierten Mitgliedern, eine Lösung zu finden. Es nicht zu tun, empfinden wir als eine Rücksichtslosigkeit gegenüber folgenden Generationen, die das Meer nicht mehr so erleben dürfen, wie wir es noch konnten. Und das wäre in meinen Augen eine Schnapsidee!
Ernst Greten, 1. Vorsitzender des Vereins zum Erhalt des Steinhuder Meeres e.V.
Kontroversen kenne ich aus meiner Erfahrung und eigenem Engagement heraus genug und habe allgemein damit keine Schwierigkeiten. Jedoch habe ich Anstoß an der Ausdrucksweise des Herrn Brandt, wiss. Leiter der ÖSSM, genommen. Das war nicht nur im Ton vergriffen und zeugt von Arroganz, das war auch ein Fehler. Denn: Der ÖSSM ist selbst sehr daran gelegen, zur Renaturierung von Mooren beizutragen. Über das Versuchsgelände der ÖSSM wird u.a. ausführlich in der Ausgabe „Frühjahr 2025“ der Broschüre „Rund ums Steinhuder Meer“ berichtet. Man experimentiert also auch bei der ÖSSM z.B. mit Torfmoosen und bedient sich dazu gewisser Hilfsmittel, etwa einer zusätzlichen Bewässerung.
Was tut der VESM? Er experimentiert zur Frage der Moorrenaturierung – übrigens durchaus fachlich begleitet – und unterhält hierzu mehrere Versuchsbecken u.a. mit der Anpflanzung von Torfmoosen, bei denen gewisse Hilfsmittel im Spiel sind, z. B. Steinhuder Meerschlamm hinzugefügt wird.
Die Ansätze mögen unterschiedlich sein, beiden ist allerdings das Wesentliche gemeinsam: Sie erkennen ausdrücklich die Wichtigkeit der Wiederherstellung früherer Moore an und betonen die immensen Vorteile, vor allem, aber nicht nur, als CO 2 – Fänger. Hier sei deutlich festgestellt, dass der VESM nicht allein die Lage des Steinhuder Meeres im Blick hat, sondern auch die Möglichkeiten erkennt, die ökologische Entwicklung der Region nach vorn zu bringen.
Anstatt nun aber in den Austausch einzutreten und evtl. sogar künftig an einem Strang zu ziehen, werden Mauern errichtet und abqualifizierende Kommentare verbreitet. Ich betrachte dies als Rückschritt bei dem Bemühen, unser wunderschönes Meer und seine Umgebung zu erhalten. Herr Brandt möge sich aufgefordert fühlen, seine abwehrende Position und besonders seinen Kommunikationsstil zu überdenken.
Ingo Bartens, Steinhude
”Sagen Sie mir doch nicht was nicht geht, sondern wie etwas geht” - diesen Satz habe ich bei der Unterstützung des Verwaltungsaufbaus in Sachsen-Anhalt zu hören bekommen. Und das war richtig. „Das geht nicht” oder „das geht nur unter bestimmten Bedingungen” kann erst am Ende einer Prüfung stehen. Zunächst ist jedes Anliegen, jede Idee ernst zu nehmen und nicht als „Schnapsidee” abzutun.
Wie wäre es denn, erst mal zu schauen, ob es Flächen gibt, die komplett abgetorft sind, wo also kein Moor vorhanden ist und wie groß der Flächenbedarf wäre? Wie fällt die Ökobilanz im Vergleich zu den derzeitigen Maßnahmen aus? Welche Emissionen gehen von dem trocknenden Schlamm in den Poldern aus? Wie viele LKW Transporte bei der Beförderung von einem Polder zum anderen verursachen wieviel Emissionen? Wie sinnvoll ist es einen Wald abzuholzen, um neue Polderflächen zu schaffen? Welche Technik, welche finanziellen Mittel braucht es den Schlamm in abgetorfte Flächen zu befördern im Vergleich zu den derzeitigen Maßnahmen?
Wir sind gespannt, welche Antworten der „Seeentwicklungsplan” bereit hält - hoffentlich solche, die das Steinhuder Meer mit seiner Schönheit und seinen vielfältigen Funktionen erhält.
Ursula Müller-Krahtz, Steinhude